Berggasthaus Niedersachsen. Hoch Oliver.

Auf dem Gehrdener Berg wird seit gut einem halben Jahr neu gekocht. Lohnt sich der Ausflug an den Rand der Region? 

Dinge vor allem deswegen gut zu finden, weil sie von der Mehrheit der Menschen als geschmacklos, doof oder öde angesehen werden, gehört zur traditionellen Haltung der intellektuellen Oberschicht. Das Spektrum reicht da von euphorischem Lob für grauenhafte Songs einer Sängerin aus der Ukraine bis hin zu begeisterter Bekenntnis zu den großartigen Büchern einer Barbara Cartland. Und manchmal kommt in diesem Diskurs eben auch ein Restaurant zur Sprache. Was mir von Leuten schon so alles wärmstens empfohlen wurde, dann aber ein absoluter Reinfall war, würde den Umfang dieses Heftes sprengen.

Und nun also wieder so ein gut gemeinter Tipp. Nach Gehrden müsste ich, ins Berggasthaus Niedersachsen, da kocht seit einem halben Jahr ein Neuer! Familie Jurke, die es über 28 lange Jahre betrieben hatte, hätte sich zur Ruhe gesetzt! Ganz neue Impulse, ehrlich! Okay, der Neue ist ja gar nicht so neu, denn Oliver Gerasch hat zuvor jahrelang im Beckmanns Weinhaus gekocht, dem beliebten Restaurant mit italophiler Note in der Calenberger Neustadt. Also gut, denke ich, und mache, was ich allein wegen der Fahrerei eher selten tue: ich gehe essen in der Region.

Meine Fahrt führt mich vorbei an alten Villen, sehr vorstellig, hinauf auf den Haushügel von Gehrden, den sie hier Berg nennen. Ein traditionelles Gefühl macht sich breit, was auch nach der Ankunft im Berggasthaus nicht verfliegen will. Dafür ist der Service umso frischer. Richtiger Gegenpol, denke ich, und nehme Platz.

Nach den üblichen Speisekartenspielen samt schneller Bestellung meinerseits geht`s los. Und zwar mit dem Amuse Gueule, einer gebratenen Gamba auf Radieschen-Fenchelgemüse und in einer Buttersauce, was in dieser Kombination meinem Gaumen schlagartig wach werden lässt. Sehr ausgewogen. Dann die Vorspeise. Grüner Spargel mit einer Kräutervinaigrette, ebenfalls feinsinnig kombiniert und apart angerichtet. Jetzt bin ich wirklich gespannt, wie es weitergeht. Ausgewählt hatte ich Limonen-Ricotta-Ravioli mit Chicorée. Der Zwischengang ist eine halbe Portion, aber mit der vollen Wucht eines gut gemachten, kreativen Pastagerichtes. Sehr zufrieden lege ich das Besteck beiseite. Beim Hauptgang mal ein Klassiker, denn ich habe Lust auf ein Rinderfilet, und zwar »medium rare«. Die Karte verspicht dazu eine Balsamicoemulsion und grüne Bohnen. Was die Küche dann liefert, könnte perfekter nicht sein. Top Fleischqualität, großartig gebraten und veredelt mit einer geschmacklich runden Sauce zum Niederknien. Unter uns: So gut habe ich bei Oliver Gerasch im Beckmanns nie gegessen …

Und was gab es zu trinken? Wenig, ich muss ja noch fahren. Die Weinkarte ist geprägt von deutschen und italienischen Winzern. Insgesamt eher klein, aber eigentlich ist für jeden etwas dabei. Ein Sauvignon Blanc zur Vorspeise und zum Zwischengericht, ein Barbera zum Rinderfilet, zwei passende Begleiter für einen überraschend guten Abend. Es weht nicht nur ein frischer Wind auf dem Gehrdener Berg, da bahnt sich ein ausgeprägtes Hoch an.

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(Dieser Artikel erschien in »Hannover geht aus«, Ausgabe Sommer 2016. Jetzt am Kiosk! Ich fotografiere in den Restaurants grundsätzlich ohne Blitz. Daher die maue Ausleuchtung.)

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