Die Stoffe, aus denen meine Albträume sind.

In wirklich jedem Jahr, also 2018 schon im April, wenn das Thermometer signalisiert »Der Sommer ist da!«, kann man in Deutschland beobachten, wie die Menschen all ihre Hemmungen verlieren und ihre Klamotten gleich mit. Was man dann zu sehen bekommt, ist … sagen wir mal … selten schön. Derweilen ein Italiener wahrscheinlich nie ungestylt zur Müllbox geht, geht ein Deutscher im Jogginganzug ins Restaurant. Unter der Überschrift »Schlabberland« hat Tanja Rest in der Süddeutschen Zeitung am Wochenende einen Text veröffentlich, der mir aus der Seele spricht. Den vollständigen Artikel kann man auch online nachlesen. (Ganz bewusst bebildere ich diesen Post … nicht.)

»Juli 2018, eine Stunde auf der Münchner Leopoldstraße. Früher Abend, 22 Grad. Die Menschen sind in den unterschiedlichsten Lebensumständen unterwegs, vom Büro nach Hause, beim späten Shoppen oder schon in die Bars und Restaurants. Der Standort ist wohlwollend gewählt, da a) nicht Berlin und b) Schwabing, mit seiner Tradition des Schaulaufens. Man hat sich dennoch darauf eingestellt, dass die Lage ernst sein würde. Die Wahrheit ist aber, sie ist hoffnungslos.

Neben den Turnschuh-, Flipflop- und Segeltuchschläppchenträgern liegt die Quote der Lederbeschuhten bei unter 30 Prozent. Bei den Hosen sind neben schlecht sitzenden, weil fast durch die Bank zu engen Jeans vor allem Cargo-Shorts, Track Pants, Dreiviertelhosen mit Tunnelzug und Leggings unterwegs, die man früher im Bett und vielleicht noch zum Bauch-Beine-Po-Kurs angezogen hätte; insgesamt Stretch und Elastan, wohin man blickt. Die Oberteile: T-Shirts, Tank Tops, Hoodies. In erstaunlichen Farben und Mustern und so heillos verzogen, dass auch Bügeln nicht mehr helfen würde (davon abgesehen, dass offenbar keiner mehr bügelt). Von gerade mal 19 Anzügen sitzen vier, über Passform und Qualität der Hemden legen wir den Mantel des Schweigens.

Das Verrückte ist: Jeder, der sich morgens beim Anziehen ein klein wenig Mühe gegeben hat, sticht aus der daherlotternden Masse mühelos heraus. Eine hübsche Brosche, eine liebevoll ausgewählte Bluse, ein ordentlich geschnittenes Sakko oder ein Rock mit interessantem Faltenwurf – mehr braucht es dafür nicht. Ansonsten ist festzuhalten, dass der Stoff im Sommer 2018 sich entweder um den Körper der Deutschen herumdehnt oder ihn zeltartig umflattert und dass sich zwischen dem Körper und der Straße Hartschaumstoffpolster befinden.«

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