Burt Bacharach. Einer der besten Songwriter.
Kein Scherz: Ich will seit mehr als einem Jahr einen Artikel über meinen liebsten Songwriter schreiben, kam nur irgendwie nie dazu. Das hat jetzt Christop Dallach auf SPIEGEL online gemacht. Und zwar so treffend, dass ich diesen Beitrag einfach zweitverwerte. Hut ab … Er hat nur irgendwie vergessen, die Alben Painted From Memory mit Elvis Costello und sein durchaus politisches Letztwerk At This Time zu erwähnen. Hab ich jetzt ja gemacht.
Auf dem Cover des ersten Oasis-Albums sitzt Noel Gallagher neben einem Porträt von Burt Bacharach. Der Brit-Pop-Debütant posiert da auf einem Sofa gedankenverloren mit Gitarre, daneben lehnt ein gerahmtes Poster des amerikanischen Songwriter-Titanen. Das war 1994, und auch wenn damals gerade das sogenannte Easy-Listening-Revival über die Bühne ging, dürften die wenigsten der Oasis-Zielgruppe gewusst haben, wer Burt Bacharach ist, geschweige denn, wie er ausschaut. Aber was Noel Gallagher angeht, war das Cover ein klares Statement: Denn auch wenn der Brite gern mal als Beatles-Klon verhöhnt wird, war er vor allem immer ein Fan großer Songs und ihrer Autoren, einer, der weiß, was eine funkelnde Melodie vom grauen Mittelmaß unterscheidet.
Mal abgesehen von Paul McCartney und John Lennon hat Burt Bacharach vermutlich mehr umwerfende Melodien in die Welt gezaubert als irgendwer sonst im Popuniversum. Wikipedia attestiert ihm allein 73 Hits in den US-Charts. Wem sein Name trotzdem nichts sagt, der wird wenigstens mit seinen Songs vertraut sein: „The Look of Love“, „Raindrops Keep Falling on my Head“, „This Guy’s in Love With You“, „Walk on By“, „I say a little Prayer“ oder „What’s new Pussycat“ – um nur einige wenige der Klassiker zu nennen, die von so ziemlich allen relevanten Musikern der letzten Jahrzehnte interpretiert wurden. Die Liste reicht von Elvis Presley über Frank Sinatra, Barbra Streisand, Marlene Dietrich, Stan Getz, Dusty Springfield, den Beatles, Aretha Franklin, Isaac Hayes bis zu Bacharachs bevorzugter Haus-und-Hof-Interpretin Dionne Warwick.
Als „Easy Listening“ wurde diese Musik lange von Geschmackspolizisten abgetan; ein Begriff, den Bacharach zu Recht als persönliche Beleidigung wertet, wenn er damit in Zusammenhang gebracht wird. Wie wenig an Bacharachs Musik „Easy“ ist, dämmert jedem, der mal probiert, eine Melodie wie „What’s New Pussycat“ nachzupfeifen. Denn letztlich bestand die Kunst des Jazz-Fans Bacharach ja auch immer darin, komplexe Melodien federleicht klingen zu lassen.
Das goldene Bacharach-Jahrzehnt waren die sechziger Jahre, als die Songs, die er mit seinem kongenialen Text-Partner Hal David produzierte, die Charts und Radios des Planeten dominierten. Trotzdem dauerte es Jahrzehnte, bis Burt Bacharach als einer der prägenden Songwriter des 20. Jahrhunderts gefeiert wurde. Eine überfällige Anerkennung, die er wohl auch dem Easy-Listening-Revival verdankte (obwohl er mit dem nie was zu tun haben wollte) sowie nachgewachsenen Fans, von Elvis Costello bis zu Dr. Dre.
Zu seinem 85. Geburtstag erscheint nun die angemessen umfangreiche 6-CD Box „Anyone Who Had a Heart“ (auch als dezente Doppel-CD zu haben), die alle relevanten Songs und Interpreten bietet. Dabei auch Bacharachs eigene Einspielungen sowie eine CD mit feinen Jazz-Variationen. Außerdem ist gerade, bislang allerdings nur auf Englisch, bei Harper Collins die enorm unterhaltsame Autobiografie erschienen unter dem Titel „Anyone Who Had a Heart – My Life and Music“. Da erinnert sich der New Yorker erstaunlich offen an seine holprigen Anfänge, zahlreiche Niederlagen, die Jahre als „musikalischer Leiter“ von Marlene Dietrich („Sie bügelte meine Hemden“), den Aufstieg in die Champions-League der Musikindustrie, aber auch die Zerwürfnisse, die darauf folgten. Nebenbei lernt man, dass der Autor mit dem Filmstar-Gesicht den Frauen mindestens so zugetan war wie die Rolling Stones.
Ähnlich wie die Letztgenannten ist Bacharach auch immer wieder mal auf Tournee, vermutlich um sich angemessen feiern zu lassen. Geld braucht er wohl kaum. Auf dem Einband seiner Biografie wird auch Noel Gallagher zitiert: „Ich würde sagen ‚This Guy’s in Love With You‘ ist das beste Liebeslied aller Zeiten. Wenn ich einen Song schreiben könnte, der nur halb so gut ist wie ‚This Guy’s in Love With You‘ oder ‚Anyone Who Had a Heart‘, würde ich als glücklicher Mann sterben.“