Aqua. Mögen Sie Mapplethorpe?

Was Hannover leider fehlt, ein extraordinäres Restaurant in einem spitzenmäßigen Hotel, das gibt es seit geraumer Zeit* in Wolfsburg. In Volkswagenstadt lebt und isst es sich so gut, wie in keinem anderen Hotel weit und breit. Also ab auf die A2 …

* : Bitte, Fußnote zu diesem Artikel beachten!

Keine Ahnung, ob es Ihnen auch so geht, aber ich trinke in Restaurants immer viel zu teure Weine. Das finde natürlich nicht ich, sondern das sagt die Frau, die mit mir diese Restaurants besucht (und eingeladen wird!). Ich gucke in die Karte, schlage einen Wein vor und sie fragt glatt, was er kostet. Ich nuschle deshalb, verwechsle Euro mit Mark, ziehe das Depot ab, den Probierschluck des Kellners und dann die Wurzel daraus. Ich finde das völlig legitim, denn ein tolles Gericht ist ohne den passenden Wein nur die Hälfte wert. Und das laß ich mir bei Gelegenheit eben gern etwas kosten. Wie neulich im Aqua, dem strahlenden Stern am Gastrohimmel über … Wolfsburg!

Also, die Fakten zuerst: Eröffnet  am 1. Juni 2000 im Hotel Ritz-Carlton. Niemand geringeres als Architektin Andrée Putman ist hier für das Interiordesign verantwortlich. Die unaufdringliche Eleganz des Restaurants wird durch zwei Stillleben des Fotografen Robert Mapplethorpe noch unterstrichen. In der Küche am Werk: Sven Elverfeld, 33 Jahre alt, aber in der Liga der Spitzenköche schon ganz klar weit vorn. Er und sein Team dürfen sich mittlerweile mit den tollsten Auszeichnungen schmücken: 1 Michelin Stern, 17 Gault Millau Punkte. Und oben drauf gab es vom „Feinschmecker“ den Titel „Restaurant des Jahres 2002“.

So weit, so gut. Aber es kommt noch viel besser. All das ist nämlich nichts Wert, wenn die Atmosphäre nicht stimmt. Die ist im Aqua warm und herzlich, was vor allem durch einen präzisen, aber entspannten Service gewährleistet wird. Schon der Empfang verheißt viel Gutes. Karina Keupp begrüßt uns in aller Herzlichkeit, wir fühlen uns fast schon wie zu Hause. Gedämpftes Licht, akzentuierte Deko und ein Ausblick, der seinesgleichen sucht. Sehr gekonnt. Beim Aperitif lassen wir uns die Karte auf der Zunge zergehen. Internationale Schule, klar, allerdings mit höchst individueller Note. Es ist interessant: Sven Elverfeld verneigt  sich hier und da vor der Region, in der er kocht. Ist durchaus mutig in der Kombination von Produkten und Aromen. Bereitet Bekanntes auch einmal unkonventionell zu. Und macht so Appetit auf kulinarische Experimente.

Wolfgang Otter, Maître d`, notiert die Bestellungen mit souveräner Hand. Und eröffnet so ein Festival der Farben und der Aromen an unserem Tisch. Das die Küche kreativ ist, das ahnt man schon beim Amuse Bouche, liebevoll mit Schnittlauch verschnürte Minicrêpe mit erfrischend leichter Füllung. Der kalten Vorspeise, eine Art Edelhamburger aus feinsten Zutaten wie Lachs und Kaviar, geschichtet zu einem kleinen Türmchen, folgt ein Eintopf, der es in sich hat. Aus Milchlammschulter und Karotten zaubert  die Küche ein cremiges Süppchen mit reichlich Einlage und überragendem Geschmack. Das hat 2-Sterne-Niveau und verdient glatte 19 Punkte. Unseren Hauptgang wiederum, so könnte man denken, hat man schon x-mal gegessen: Rehrückenfilets. Die Küche im Aqua kann aber auch diesem Klassiker noch neue Seiten abgewinnen. Sven Elverfelds Truppe verpackt das hauchzarte Fleisch einfach in einem Walnusscrêpe, serviert es mit einer köstlichen Sauce und reicht dazu ein herrliches  Selleriepüree . So können uns regionale Produkte wieder schmecken. Und wie mir das Dessert gefallen hat? Keine Ahnung, ich war so gesättigt, ich konnte mir den Topfenknödel auf der gegenüberliegenden Seite des Tisches nur noch anschauen. Sah aber gut aus …

All die liebevoll zubereitete Speisen auf geschmackvollem Glasgeschirr lassen einen Abend im Aqua von Gang zu Gang schöner werden. Dazu tranken wir hervorragende Weine, ausgewählt aus der nicht umfangreichen, aber kompetent zusammengestellten Karte. All das hat die Klasse, die wir erwartet haben. Und all das ist Grund genug, hierher zurückzukehren. Auch wenn der Name besagt: Die im Aqua kochen nur mit Wasser. Sie tun dies auf aller höchstem Niveau!

(Dieser Artikel erschien in »Hannover geht aus«, Ausgabe Frühjahr 2003, also vor ziemlich genau 10 Jahren, fiel mir gerade jetzt wieder in die Hände und ist es durchaus wert noch ins Netz gestellt zu werden.)

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