Archiv für das Themengebiet 'Essen.'

Altes Jagdhaus. Ein Stern!

Ein Beitrag zum Themengebiet Essen., geschrieben am 28. Mai 2013 von Thomas Lasser

Ein Restaurant, das seinen Namen trägt, das hatte er noch nie. Aber dafür hat Joachim Stern in Hannover an vielen Orten immer wieder Akzente gesetzt. Was geht denn im Moment so?

Gastronomischer Offenbarungseid. Verdammt. Und das mir. Ich habe es immer mal wieder befürchtet. Aber gehofft, der Kelch ginge schon an mir vorbei. Aber jetzt, jetzt ist es passiert. Ich muss mich »outen«. Nein, nein … bitte! Keine falsche Vorfreude. Hier geht es nicht um Vorlieben beim Sex, sondern um die pure Lust am Essen. Also: Zwei Männer haben mich die Welt des exquisiten Geschmacks eingeführt, mir gezeigt, wie verführerisch und stimulierend so ein paar ausgiebige Stunden an einem Tisch mit Messer, Gabel und Gourmetlöffel sein können. Der eine, das war mein Vater. Der andere, und ist jetzt wirklich kein Scherz, das war Joachim Stern.

Sein Étoile in der Wiehbergstraße in Döhren, heute das Titus von Dieter Grubert, war 1989 das erste Restaurant, in dem ich mich vor lauter Geschmack und Genuss an der Tischplatte festhalten musste, um nicht drunter zu rutschen. So hatte ich vorher noch nie gegessen, aber so viel Geld war mir essen gehen auch davor noch nicht wert. Also, wie reden hier über 180 Mark mit Wein für Zwei, damals für mich ein kleines Vermögen. Also bin ich gespannt auf meinen Besuch im Alten Jagdhaus, seit 2005 Joachim Sterns neues Restaurant in Hannover.

Das liegt nicht unbedingt »zentral«, sondern wirklich »vor der« Seelhorst, einem Waldstück am Messeschnellweg. Hier empfängt der Chef noch selbst. Geleitet einen zum Tisch. Reicht die Karten. Eilt zwischendurch zum Telefon. Notiert dann die Speisen- und Getränkewünsche. Und kocht dann natürlich auch. Bewundernswert, denn das Restaurant, über dessen, na ja, tradiertes Wohnzimmerambiente man wirklich kräftig streiten kann, ist so gut wie ausgebucht. Joachim Stern setzt auf viel kalte Küche auf Blattsalaten an der Vorspeisenfront und auf einige Schmorgerichte im Hauptspeisenbereich, was sich gut vorbereiten lässt und schnell anzurichten ist. Der Stil der Küche ist immer noch fein, aber nicht mehr so frankophil wie im Étoile. Wir sind ja auch in einem alten Jagdhaus, da ist der Raum für Überraschendes wohl kleiner. Ausnahme vielleicht: gebratene Zungen vom Lofoten-Kabeljau. Hatte ich an diesem Abend aber keine Lust darauf. Denn ich liebe geschmorte Ochsenbacke. Und dafür gibt es von mir … einen Stern!

(Dieser Artikel erschien in »Hannover geht aus«, Ausgabe Sommer 2013)

La Forge. Heisses Eisen.

Ein Beitrag zum Themengebiet Essen., geschrieben am 14. Mai 2013 von Thomas Lasser

Seit vielen Jahren eines der Spitzenrestaurants im Norden. Das meinen die wichtigsten Gourmetführer. Und was meinen* wir?

* : Bitte, Fußnote zu diesem Artikel beachten!

Echt unverständlich, aber wahr: Wer in der Region Hannover in ausgezeichneten Restaurants essen möchte, der muss die Grenzen der Landeshauptstadt weit hinter sich lassen. In diesem Punkt sind sich die führenden Gastronomiejournalisten auffällig einig. Burgwedel, Celle, Wolfsburg: Hier wird auf höchstem Niveau für Gourmets gekocht. Und auch in Bad Nenndorf, genauer gesagt, im Ortsteil Riepen. Wir programmieren das Navi und geben Gas.

Nicht ganz 40 Kilometer weiter und 45 Minuten später parkt der Wagen am Schmiedegasthaus Gehrke. Hier haben sich die Gebrüder Gehrke, Ernst-August am Herd, Andreas im Service, mit dem La Forge einen grundsoliden Ruf unter den Feinschmeckern erarbeitet. Mit sicherer Hand werden Menüs kreiert und Weine kredenzt, die über jeden Zweifel erhaben sind.

Alle 14 Tage wechselt das Angebot auf der Speisekarte, das lediglich aus drei unterschiedlich großen, saisonal geprägten Menüs besteht. Da man deren Gänge aber auch einzeln kombinieren kann, findet jeder seine Lieblingsspeisenfolge. Wir entscheiden uns für eine Vorspeise und einen Hauptgang, wohl wissend, was in Restaurants dieser Güte noch so alles aufgetischt wird: Dreierlei Kleinigkeiten zum Aperitif. Zweierlei Leckereien als Amuse Bouche. Und allerlei Pralinen zum Espresso.

Die Qualität der Speisen ist bestechend. Sowohl an der Güte der Zutaten, die die Gehrkes mit Vorliebe in der Region um ihr Schmiedegasthaus einkaufen, als auch an ihrer Zubereitung, wo französische Einflüsse eindeutig überwiegen, gibt es nichts zu kritisieren. Das Fleisch ist auf den Punkt gebraten. Die Beilagen sensibel kombiniert. Die Saucen runden mit allerfeinsten Aromen das Gesamtbild treffend ab. Allein schon deshalb hat sich der Weg nach Riepen gelohnt. Dazu offeriert der Keller eine große Anzahl schöner Weine. Bemerkenswert: Über 100 Positionen mit halben Flaschen stehen zur Auswahl. Wichtig, wenn man Gutes trinken möchte, aber auch noch fahren muss. Also gibt es gar nichts zu meckern? Doch. Der Espresso. Der ging gar nicht.

(Dieser Artikel erschien in »Hannover geht aus«, Ausgabe Winter 2006, hier und heute gepostet als Teil 2 meiner Reihe Klassische Restaurants in der Region, deren Besuch sich immer wieder lohnt. Allerdings nur noch bis zum 2. Dezember 2013. Dann schliessen die Gehrkes ihr Restaurant. Für immer.)

Aqua. Mögen Sie Mapplethorpe?

Ein Beitrag zum Themengebiet Essen., geschrieben am 24. April 2013 von Thomas Lasser

Was Hannover leider fehlt, ein extraordinäres Restaurant in einem spitzenmäßigen Hotel, das gibt es seit geraumer Zeit* in Wolfsburg. In Volkswagenstadt lebt und isst es sich so gut, wie in keinem anderen Hotel weit und breit. Also ab auf die A2 …

* : Bitte, Fußnote zu diesem Artikel beachten!

Keine Ahnung, ob es Ihnen auch so geht, aber ich trinke in Restaurants immer viel zu teure Weine. Das finde natürlich nicht ich, sondern das sagt die Frau, die mit mir diese Restaurants besucht (und eingeladen wird!). Ich gucke in die Karte, schlage einen Wein vor und sie fragt glatt, was er kostet. Ich nuschle deshalb, verwechsle Euro mit Mark, ziehe das Depot ab, den Probierschluck des Kellners und dann die Wurzel daraus. Ich finde das völlig legitim, denn ein tolles Gericht ist ohne den passenden Wein nur die Hälfte wert. Und das laß ich mir bei Gelegenheit eben gern etwas kosten. Wie neulich im Aqua, dem strahlenden Stern am Gastrohimmel über … Wolfsburg!

Also, die Fakten zuerst: Eröffnet  am 1. Juni 2000 im Hotel Ritz-Carlton. Niemand geringeres als Architektin Andrée Putman ist hier für das Interiordesign verantwortlich. Die unaufdringliche Eleganz des Restaurants wird durch zwei Stillleben des Fotografen Robert Mapplethorpe noch unterstrichen. In der Küche am Werk: Sven Elverfeld, 33 Jahre alt, aber in der Liga der Spitzenköche schon ganz klar weit vorn. Er und sein Team dürfen sich mittlerweile mit den tollsten Auszeichnungen schmücken: 1 Michelin Stern, 17 Gault Millau Punkte. Und oben drauf gab es vom „Feinschmecker“ den Titel „Restaurant des Jahres 2002“.

So weit, so gut. Aber es kommt noch viel besser. All das ist nämlich nichts Wert, wenn die Atmosphäre nicht stimmt. Die ist im Aqua warm und herzlich, was vor allem durch einen präzisen, aber entspannten Service gewährleistet wird. Schon der Empfang verheißt viel Gutes. Karina Keupp begrüßt uns in aller Herzlichkeit, wir fühlen uns fast schon wie zu Hause. Gedämpftes Licht, akzentuierte Deko und ein Ausblick, der seinesgleichen sucht. Sehr gekonnt. Beim Aperitif lassen wir uns die Karte auf der Zunge zergehen. Internationale Schule, klar, allerdings mit höchst individueller Note. Es ist interessant: Sven Elverfeld verneigt  sich hier und da vor der Region, in der er kocht. Ist durchaus mutig in der Kombination von Produkten und Aromen. Bereitet Bekanntes auch einmal unkonventionell zu. Und macht so Appetit auf kulinarische Experimente.

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Restaurant Anders. Im Prinzip ja.

Ein Beitrag zum Themengebiet Essen., geschrieben am 4. Januar 2013 von Thomas Lasser

Wer heute in der Gastronomie noch punkten will, der muss sich vom Wettbewerb unterscheiden. Durch Ideen, Qualität und Stil. Isst man in Burgdorf also wirklich anders?

Eine meiner hart erarbeiteten Lebensweisheiten: Wenn etwas nicht polarisiert, dann kann man es gleich vergessen. Tom Waits, Neil Diamond, Kanye West. Alles begnadete Musiker! Oder? Riga, Brasilia, Manchester. Gerade wieder eine Reise wert! Nicht? AC Bristol, Renault Alpine A 110, Aston Martin V8 Vantage. Nur drei der jeweils schönsten Autos ihrer Zeit! Quatsch? Tja, so ist es halt mit dem Geschmack. Der ist verschieden und das ist gut so. Ich bin lieber Teil eines Haufens echt wahnsinniger Fans als im Kreis von nur minder begeisterten Freunden.

Das sehe ich bei Restaurants natürlich genau so. Ich liebe es. Oder ich kann es nicht ausstehen. Nur wer positiv aus der Menge heraussticht, bietet mir einen guten Grund für einen Besuch. Ich will im allerbesten Fall begeistert, gerne überrascht und vielleicht ja auch ohnmächtig werden. Mit dieser Erwartung fahre ich also nach Burgdorf, ins Anders, um einen Abend zu erleben, der … na ja, is` klar … jetzt auch irgendwie anders ist, als anderswo.

Anders, als bei anderen Restaurants, ist schon mal die Lage. Etwas versteckt. Man muss schon suchen. Anders auch das Ambiente. Etwas kühl. Das muss man mögen. Der Empfang durch den Service ist dafür aber umso wärmer, weil herzlich. Ein Blick in die Karte, der fällt recht kurz aus. Gut zehn Gerichte, dass war`s. Das muss nicht schlecht sein, im Gegenteil. Denn alle diese Gänge kann man auch zu einem Menü kombinieren. Und es gibt sie als halbe und kleine Portion, ganz nach dem Geschmack des Gastes. Das ist wirklich anders. Und das ist gut! Die Spannung steigt.

Inhaber und Küchenchef Michal Banik hat in guten Häusern gelernt und gearbeitet. Vor seiner Selbstständigkeit zum Beispiel in der Havanna Lounge in Hannover, wo Qualität anfangs durchaus eine große Rolle spielte. Nicht anders im Anders, wo wir vom Amuse Gueule über die Vorspeisen bis zum Hauptgang das Können und die Ambition der Küche schmecken und spüren. Ausgesuchte Zutaten, sicher zubereitet und charmant serviert. So muss das sein. Die Weinauswahl ist im übrigen eher überschaubar, aber letztlich ist für jeden Geschmack dann doch etwas dabei. Und das Preis-Leistungs-Ding stimmt immer zum Glück. Das kennen wir auch anders.

(Dieser Artikel erschien in »Hannover geht aus«, Ausgabe Winter 2013)

Tropeano de Vino. Kreativküche.

Ein Beitrag zum Themengebiet Essen., geschrieben am 29. Oktober 2012 von Thomas Lasser

Biagio Tropeano hat in Hannover die italienische Gastronomie neu erfunden. Und wir zum Dank dafür die Restaurantbesprechung.

Aktueller Name: Tropeano di Vino. Jetziges Alter: 9 Jahre. Ungefähre Größe: 200 qm. Eigener Charakter: Produktverliebt, überraschend, kreativ. Besondere Merkmale: Schickes Ambiente (Ganz gleich wo der Wirt zu Werke ging, die Atmosphäre war immer gut), treue Weggefährten (Frau Beck im Service und Herr Bachmann am Herd folgen ihrem Chef auf Schritt und Tritt seit Jahren, das muss einem doch zu denken geben …), interessanter Arbeitsansatz (Herr Tropeano sucht einfach nach guten Rezepten in uralten Kochbüchern und interpretiert sie mit seiner Küchencrew umwerfend neu), berauschende Weinauswahl (nicht nur groß, sondern auch gut).

Erinnert uns an: Eine Autotour im 1962er Ferrari 250 GT SWB (rot, logisch) über endlose Bergpässe in Norditalien und ein paar unfreiwillige Stunden in einer verstecken Osteria, die man ganz zufällig dank einer Wagenpanne (was sonst) in einem verträumten Ort direkt gegenüber der Tankstelle gefunden hat, wo das Auto (natürlich gratis, wir sind in Ferrariland) begeistert geschraubt und gefeiert (Bella macchina!) wird. Wir bewundern: Den unermüdlichen Ehrgeiz, überall das Beste zu geben. Die Liebe zum Gast, ihm ein paar schöne Stunden zu bescheren. Den missionarischen Eifer, fehlgeleitete, über die Jahre vielleicht ja von Mama Miracoli kulinarisch sozialisierte Gäste zurück zu den Wurzeln des guten Geschmacks zu führen. Was funktioniert.

Unbedingt ausprobieren: Pasta nach Art des Chefs, will sagen, ungewöhnliche Nudelkreationen, die man so in italienischen Restaurants meist gar nicht findet. Friaul-Anis-Schaum und Safran-Pfeffer-Käse mit etwas Rotbarbe zu einer klassischen Bandnudel. Kannten wir vorher nicht, wollen wir wieder! Etwas konventioneller, aber richtig gut waren die kleinen Seeteufelkotelettes auf einer verführerischen Mascarpone-Safran-Creme, von der kein Klecks mehr auf dem Teller blieb. Wer dann noch Süßes möchte, dem sei das Schokotörtchen mit Orangen-Sabayon wärmstens empfohlen. Ach ja … Wein tranken wir natürlich auch. Und zwar einen Chianti Querceto, der all die Speisen höchst anständig begleitete. Zum guten Schluss: Mille gracie.

(Dieser Artikel erschien in »Hannover geht aus«, Ausgabe Winter 2007, aktualisiert durch den Autor im Herbst 2012)

Schaumburger Ritter. Fast unschlagbar.

Ein Beitrag zum Themengebiet Essen., geschrieben am 19. Juni 2012 von Thomas Lasser

Hannover ist super, nur eröffnen hier für meinen Geschmack zu wenig interessante Restaurants. Wer nicht immer in die gleichen Läden will muss raus. Also: Ab ins Schaumburger Land.

Hey, Leser_In, mal ganz unter uns und natürlich im vollsten Vertrauen: Ich würde lieber mit einem Haufen wildgewordener überschminkter Teeniebräute in ihren Primark-Pullis, auf ihren Billig-Pumps eine Nacht in Hannover um die Häuser ziehen, Kiezclubs, Szenekneipen, Flaschenbier, Dönerbude, das volle Programm, als freiwillig in einem Restaurant im hintersten Winkel Niedersachsens essen zu gehen. Allein die Fahrt an den Arsch der Welt geht für mich gar nicht. Also, hin mag ja noch laufen, aber zurück? Eigentlich ja nur mit null Promille, was aber für mich im Zusammenhang mit gutem Essen in schöner Atmosphäre, mit kompetentem Service und in umwerfender Begleitung schlicht und ergreifend nicht denkbar ist. So. Das dazu.

Nun hörte ich aber von einem Laden im Schaumburger Land, dessen gastronomische Wurzeln bis ins Jahr 1448 zurückreichen. Und in dessen Küche seit 2006 Stephan Kehlenbeck steht, der in Häusern wie dem Nassauer Hof, Wiesbaden, dem Fürstenhof, Celle, und in der Insel, Hannover, einen durchaus guten Job gemacht haben soll. Das klingt erst mal spannend. Und das macht uns neugierig. Und zwar derartig, dass wir uns, zugegeben, ein bisschen genervt, auf den Weg ins weit vor den Toren der Stadt gelegene Rinteln machen.

Sportliche vierzig Autominuten später parken wir vor der Tür hübschen Hotel-Restaurants. Tja. Na gut, ist ja doch irgendwie ganz schön hier. Und auch romantisch. Mmmhhh. Die Baustelle rechts vom Haupthaus übersehen wir jetzt mal, die ist ja irgendwann nicht mehr da. Nichts wie rein. Wir freuen uns über einen herzlichen Empfang und sind platt: Das Restaurant ist an einem Mittwochabend praktisch voll. Damit hätten wir »so weit draußen« gar nicht gerechnet.

Überrascht sind wir auch vom der spannenden Speisekarte. Da ist für jeden was dabei. Und die Küche? Die kann die hohen Erwartungen durchaus erfüllen. Hier legt man Wert auf gute Produkte und die Leute in der Küche agieren sicher am Herd. Das Ganze wird garniert von einem flotten Service, der auch bei vollem Haus die Ruhe behält. Am Ende sitzen wir entspannt beim letzten Glas Wein. Hat sich nun der Trip nach Rinteln gelohnt? Ja, hat er. Kommen wir wieder? Ja, aber nur, wenn uns irgendwer fährt.

(Dieser Artikel erschien in »Hannover geht aus«, Ausgabe Sommer 2012)

Clichy. Traditionell? Gut!

Ein Beitrag zum Themengebiet Essen., geschrieben am 16. Februar 2012 von Thomas Lasser

Das letzte ernsthaft betriebene Restaurant, aus einer Zeit, in der weit mehr als eine Handvoll Michelin-Sterne über Hannover strahlten. Eine Bestandsaufnahme.

Erstens: Bei weinseligen Diskussionen in den von schwedischen Möbelhäusern durchgestylten Küchen der Stadt unbedingt darauf achten, dass der hier total gern und immer ein wenig zu arrogant gebrauchte Begriff »Edelrestaurant« zumeist von Leuten benutzt wird, die in ihrem Leben noch kein Lokal in dieser Kategorie von innen gesehen haben.

Zweitens: Noch später am Abend, nach noch mehr Wein, den man selbst natürlich nur sehr wohldosiert zu sich genommen hat, mal ein Auge und ein Ohr dafür haben, wo die Kinderstube der Anwesenden stand. Denn merke: Du bekommst den Mann, natürlich auch die Frau, zwar aus der Plattenbausiedlung, die Plattenbausiedlung aber nicht aus dem Mann. Oder aus der Frau, was ich, ehrlich gesagt, aber noch viel schlimmer finde.

Drittens: Und wer dann am nächsten Morgen in der lokalen Tagespresse lesen kann, wie der Wirt der Woche gefragt wird, welches gastronomische Angebot der Stadt wirklich fehlt und der dann »Ein Sternerestaurant!« sagt, mal kurz dran denken, wie viele Michelin-Sterne wir in Hannover mal hatten. Geblieben ist keiner.

Viertens: Eines dieser Restaurants aus der kulinarischen Blüte der Stadt gibt es aber immer noch, Ekkehard Reimanns Clichy, das still auf einer Ecke am Weißekreuzplatz liegt. Ohne Stern, aber mit viel Seele, einem zackigen Service, klassischem Ambiente, kleiner Küche. Also, in Quadratmetern gemessen. Dazu Chef, der mit seiner Gelassenheit dafür sorgt, dass man sich wohl fühlt. Ein wahrer Grandseigneur der Szene, der den Feierabend noch immer ab und zu im »Casa« ausklingen lässt.

Fünftens: Freitagabend, alles schön, die Woche hatte sich gewaschen, von explodierter Espressomaschine bis kollabierter Assistentin war so ziemlich alles drin. Spontan essen gehen? Klar! Mal wieder ins Clichy? Immer gut! Im wahrsten Sinne des Wortes, denn der Herr Reimann und sein Küchenchef, der Herr Nussbaum, schaffen es, hier Qualität auf den Tisch zu bringen. Klassisch, ohne viel Gezicke, kein Teller-Ikebana, klare Kante, es geht um gute Produkte und ihre ordentliche Zubereitung. Passt.

Sechstens: Und sonst so? Service, aber bitte mit Herz! Wie in allen Reimann-Restaurants ist der im Clichy hervorragend. Unaufdringlich, smart, professionell. So will man das am Ende eines harten Tages. Der unglaublich freundliche Herr Sonntag zieht eine Flasche Sauvignon Blanc für mich auf und ich weiß: Diese Woche kommt zu einem guten Ende.

(Dieser Artikel erschien in »Hannover geht aus«, Ausgabe Winter 2011)

Mövenpick Hannover Kröpcke. Ich liebe es.

Ein Beitrag zum Themengebiet Essen., geschrieben am 19. Januar 2012 von Thomas Lasser

Ein Riesenladen. Mitten in der Stadt. Gäste aller Art. Gastronomie jenseits klarer Grenzen. Öffnet in aller Herrgottsfrühe. Schliesst fast um Mitternacht. An 364 Tagen im Jahr. Kann das gut gehen?

Es war, glaube ich, 1982. Das ultimative Dating-Ding in dieser Zeit. Freundschaftsbecher bei Mövenpick futtern. Eine unverschämt große Glasschale. Auf einem Bett aus Basier ein paar Kugeln Eis. Verschüttet von einer Lawine aus Früchten und Sahne. Dazu ein paar lustige Fähnchen und noch mehr Lametta. Für 25 Mark? Egal. Damit war ich dann irgendwann durch. Und dementsprechend mit dem Laden auch. Bis … ja, bis 2004.

Ein neuer Direktor, Matthias Baller, beschloss: Wir müssen umbauen. 80er raus, 21. Jahrhundert rein. Neues Raumkonzept, neues Interior Design, neue Karte, neue Küche, neuer Weinkeller. Klar, modern, abwechslungsreich, deutsch. Was in der Vergangenheit immer so wahnsinnig nah lag, weil ja total zentral, musste allein schon deshalb mein Misstrauen erwecken, gewann dann aber irgendwann trotzdem mein Interesse. Und so saß ich im Sommer 2004 plötzlich an einem Sonnabendmittag an der Weinbar in der Brasserie. Und das kommt seit dem … sagen wir mal öfter vor. Wann immer ich in der City unterwegs bin. Oder es mir einfach mal gut gehen lassen will. Und das ist nicht selten.

Das Haus setzt zu einem gewissen Teil auf regionale Lieferanten. Super. Dazu auf überregionale Produzenten mit tadellosem Ruf. Schön. Und die nennt man dann zum Glück auch in der Karte. Aha. Ich finde es darüber hinaus immer klasse, wenn Gastronomen Dinge anbieten, die ich einerseits woanders, andererseits so nicht bekommen kann. Da freut man sich schon auf dem Weg aufs Essen … Heute mal wieder ein Tatar Café de Paris. Oder den Tower. Oder die Tartines. Oder so. Der Hammer.

Es ist einfach beeindruckend, wie das gesamte Team in einem Laden in dieser Lage, bei dieser Größe und bei gefühlten 3.000 Gästen am Tag, einen so persönlichen Service, eine so bemerkenswerte Küche und ein so differenziertes Angebot hinbekommen kann. Dauerhaft. Verlässlich. Überzeugend. In einem, sagen wir mal, Umfeld, in dem es sicher nicht immer leicht ist zu agieren … Verschenkt wird am Kröpcke natürlich nix, das ist klar, aber ich bin immer bereit für Qualität, Individualität und Persönlichkeit zu zahlen. Sehr gerne sogar.

da vinci. Das Multitalent.

Ein Beitrag zum Themengebiet Essen., geschrieben am 21. Dezember 2011 von Thomas Lasser

Döhren hat es gut. Denn Döhren hat etwas, was es leider nicht in jedem Stadtteil gibt: Ein richtig gutes italienisches Restaurant »gleich um die Ecke«.

Problem Eins: Ich wohne in einem Winkel von Hannover, in dem man zu Fuß nicht ein einzig wirklich akzeptables Restaurant erreichen kann. Außer man ist bereit, knapp eine halbe Stunde zu laufen. Problem Zwei: Als Büromensch habe ich es mir angewöhnt, zwei Liter Wasser am Tag zu trinken. Nach 18.00 Uhr kann ich das Zeug nicht mehr sehen und setze voll und ganz auf Wein. Problem Drei: Klar, ne?

Da haben es die Döhrener besser. Denn Döhren hat »dal 1993« das da Vinci. Ein klassisches italienisches Restaurant, das, dass muss ich leider sagen, alles kann. Nämlich auf die Gefahr, dort demnächst am Wochenende keinen Platz mehr zu bekommen. Antipasti? Mit die besten der Stadt. Pasta? Die Karte überzeugt mit soliden Klassikern und überrascht mit kreativen Kreationen. Pizza? Rundum gelungen, wirklich frisch und auch in kleinen Größen zu haben. Fleisch? Ich kenne, ehrlich gesagt, nur das Rinderfilet, und das ist spitze. Fisch? Die Auswahl ist klein und wechselt, aber Familie Pollicino kommt aus Neapel, legt also Wert auf alles, was aus dem Meer kommt und auf dem Teller landet. Wein? Eine große Auswahl und der Chef hat ein gutes Gefühl für angenehme Preise. Service? Einfach so wie er sein sollte, fix, freundlich, zuvorkommend. Und zwar immer.

All dies bestätigte sich auch wieder bei unserem aktuellen Besuch. »Halb-und-halb«, absolut köstlich, wobei ich das Vitello etwas besser finde, als das Carpaccio, dem fehlt es gern mal an der endgültigen Finesse. Gemischte Vorspeisen vom Buffet, ein kulinarisches Vergnügen, frisch und ausgezeichnet zubereitet. Als Zwischengang ein Pastagericht von der Tageskarte, das es sonst nicht gibt: Tagiatelle mit Parmaschinken und Walnüssen. Echt lecker und echt schade, dass ich das beim nächsten Besuch wohl nicht mehr in der Karte finde. Als Hauptgang möchte ich Fisch, Steinbutt vom Grill mit gemischtem Gemüse. Der wird gern vom Service filetiert, was man nutzen sollte, agiert der doch routiniert und erspart mir das lästige Grätengefummel. Der Plattfisch ist buttrig-zart, zergeht auf der Zunge und wird von einem frischen Weißwein aus Kalabrien begleitet. Der ist leicht und unkompliziert mit schönen fruchtigen Komponenten. Und zum Schluss? Wie immer. Limoncello!

(Dieser Artikel erschien in »Hannover geht aus«, Ausgabe Sommer 2011)