Archiv für das Themengebiet 'Hören.'

Auf die letzte Rille. Oder: Ich liebe Vinyl.

Ein Beitrag zum Themengebiet Hören., geschrieben am 16. Dezember 2015 von Thomas Lasser

Tonträger sind irgendwie egal geworden, aus sorgsamen Sammlungen werden Datenschnipsel. Wohin mit der Musikliebe? Darüber schrieb neulich Max Scharnigg auf sueddeutsche.de. Und zwar so schön, dass ich dem nichts hinzuzufügen habe. 

Die Band Phoenix hat eine Weihnachtssingle veröffentlicht. Zusammen mit Bill Murray und für einen guten Zweck. Eigentlich ein ziemlich perfektes Geschenk. Diese Single ist entweder als 7-Inch oder als Download zu erwerben. Irgendwie also doch kein so perfektes Geschenk mehr. Das eine Format ist zu speziell, das andere zu banal. Aber so wird Ende 2015 offenbar Musik vertrieben als Uralt-Vinyl oder Datenhaufen. Und irgendwo zwischen diesen beiden Extremen ist in den letzten fünf Jahren meine Plattensammlung verschwunden.

1990: CDs waren eine Botschaft direkt aus der Zukunft

Den Anfang machte eine wuchtige Kompaktanlage mit CD-Player am zehnten Geburtstag. Es war das Jahr 1990, CDs waren eine Botschaft direkt aus der Zukunft. Laser. Das irisierende Funkeln der Scheiben. Die Digitalzahlen. Keine Frage: Ich war im Besitz von Premiumtechnologie. Es gab auch zwei CDs dazu, Scorpions und eine obskure Tote-Hosen-B-Single. Ich schob die Erich-Kästner-Kassetten zur Seite. Platz für Scorpions und die Zukunft.

In den nächsten 15 Jahren kamen zu den zwei CDs etliche Tausend Stück dazu. Jede einzelne Platte war ein Stück von einem wunderbaren Puzzle, das niemals fertig war. Ich kaufte eine, und wenn ich sie gehört hatte, wusste ich, dass mir fünf fehlten. Zum Glück gab es so viel davon und zum Glück gab es keine Frage, wie Musik dargereicht werden sollte: Innerhalb von wenigen Jahren hatte sich die ganze Welt auf ein Format geeinigt, niemand diskutierte über den Träger, sondern über das, was er trug – die Musik.

Es hätte immer so weitergehen können

Und wenn die CD das Pferd war, war die Kassette der alte Esel. Das gutmütige Lasttier, mit dem man nach einem beherzten Tastendruck aufnehmen konnte, was im Radio lief. Und weltbeste Mixtapes anfertigen, die jeden Besitzer einer hoffnungsvollen Plattensammlung in die Lage versetzten, Mädchenherzen anzuweichen. CD und Kassette waren ein gutes Team. Ich und die Musik waren ein gutes Team. Es hätte immer so weitergehen können.

Platten sammeln macht glücklich. So wie jede Sammelleidenschaft, die nie an ein logisches Ende stößt. Ziemlich bald spürt der Sammler die Gegenwart seiner Sammlung als etwas viel Größeres als er selbst. Er begreift sich ab dann nur noch als Pförtner einer Welt. Sieht man sich die Porträts der großen Plattensammler im Mammutwerk „Dust & Grooves“ (erschienen bei Eden) an, steht ihnen allen das gleiche, leicht desperate Glück ins Gesicht geschrieben. Niemals genug und immer in Sorge. Alle in der Gewissheit, dass ihr eigenes Schicksal untrennbar mit den Regalen in ihrem Rücken verknüpft ist.

Das ist vielleicht der Unterschied zu anderen Sammlungen. Neben dem haptischen Anhäufen von Zeug gibt es hier eben die Musik selbst, deren Töne mit jeder Lebensminute verknüpft sind. Es müsste immer Musik sein, lautet eine alte Popforderung. Sammler arbeiten seriös daran.

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Aus dem Album »Nachtfahrten«. Passt. Wunderschön.

Ein Beitrag zum Themengebiet Hören., geschrieben am 28. Oktober 2015 von Thomas Lasser

Wanda. »Bussi Baby«. Als ob Falco wieder da wäre …

Ein Beitrag zum Themengebiet Hören., geschrieben am 8. Oktober 2015 von Thomas Lasser

Du wirst von Sternen high,
ich bin da nicht so frei,
ich brauch schon Schnaps oder irgendwas.
Mama wollte leben in Rom,
Mama träumt sich nach Berlin,
aber Mama, Mama stirbt in Wien.

Ja, ja, da hast es wieder
gehst tanzen, legst dich nieder,
weil du weißt, man kriegt kein Weißes ohne Geld.
Ja, ja, da hast es wieder,
nein nein – doch nicht schon wieder,
weil du weißt, man kriegt kein Weißes ohne Geld.

Sag, hast du ein
Bussi Baby, Bussi Baby…
Hast du ein?
Hast du ein?
Bussi Baby, Bussi Baby…

Jazz is back? Der war nie weg. Er ist nur anders wieder da.

Ein Beitrag zum Themengebiet Hören., geschrieben am 7. Juli 2015 von Thomas Lasser

Es wird endlich wieder spannend im Jazz-Regal. Zumindest in den Plattenläden, die es heute noch gibt. Also: in viel zu wenigen. Einen neuen Impuls erhofft sich jetzt die Branche von einem Album, das seit einigen Wochen über die Insidermedien hinaus Schlagzeilen macht: Kamasi Washington, ein Saxofonist aus Los Angeles, der bislang nur als Gast bei den HipHop-Stars Snoop Dogg, Lauryn Hill und Kendrick Lamar (bitte mal hier nachlesen) wahrgenommen wurde, überraschte mit einem monumentalen Werk auf 3 CDs. SO eine neue Jazz-Aufnahme habe ich noch NIE gehört.

Mit einem Jazz-Tentett, klassischen Streichern und einem Chor nahm er The Epic auf. Ganze 172 Minuten Musik, die Kritiker als Jazz des 21. Jahrhunderts feiern. Zu Recht. Washington ist es gelungen, Gospel sowie Blues-, Bebop- und Swingelemente in einer Art zusammenzubringen, die auch junge Menschen mitreißt. Beim zweistündigen Release-Konzert im Regent Theater von Los Angeles soll ein für Jazzevents ungewöhnlich junges Publikum gefeiert haben. Allerdings: Während auf der Bühne schwarze Gesichter dominieren, waren im Saal kaum Afroamerikaner auszumachen. Ist Jazz ausgerechnet bei der schwarzen Jugend out?

(Mit Textschnipseln von Spiegel Online, ich habe zur Zeit keine Zeit, die drei CDs in der üblichen Art und Weise hier zu besprechen … Achtet auf den (über-?) nächsten Post.)

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Kendrick Lamar – »To Pimp A Butterfly«.

Ein Beitrag zum Themengebiet Hören., geschrieben am 1. April 2015 von Thomas Lasser

Ich? Und Rap? Na ja, es geht so. Das Genre ist mir … sagen wir mal … suspekt. Es geht da ja immer nur um Themen, die von meiner kleinen Lebenswelt so weit entfernt sind wie Hannover / Leine von Los Angeles / California. Aber die Beats und der Umgang mit den Samples, all das gefällt mir wirklich gut. Ein völlig neues Fenster stieß da 2004 Kanye West auf. The College Dropout, sein Debüt, ist bis zum Anfang dieses Jahres für über 10 Jahre mein allerliebstes Rap-Album gewesen. Doch das bekam in den letzten Wochen nun schwerwiegende Konkurrenz. Von Kendrick Lamar. Und seiner zweiten Platte. Ganz ehrlich: Ich kann nicht sagen, wer in den kommenden Wochen seine Nase in Sachen Coolness noch vorne hat.

Es geht um To Pimp A Butterfly. Ein nur so dahin fließendes Kunststück voller Soul und Jazz. Schon jetzt für mich eines der Alben des Jahres. Ein musikalisches und lyrisches Meisterwerk, das nicht so klingt, wie man sich die aktuellen Produktionen eines Rappers sonst so vorstellt. Es ist das elegante Statement eines Poeten, der fast komplett auf klassische Hip Hop-Beats verzichtet. Über fast 80 Minuten läuft die Musik wie ein im Sonnenlicht glitzerndes Stück Platin, durchsetzt mit Funk-, Soul- und Jazz-Elementen. Zitat Andreas Borcholte: Wie päppelt man einen Schmetterling auf? Ganz klar, mit Liebe! Und davon ließ Kendrick Lamar jede Menge in seinen Love-, Peace- und Hippietraum eines Albums fließen. Es hat die Wucht, das intellektuelle Potenzial, aber auch den Groove und die Emotionalität, sich wie ein kühlender, heilender Balsam über die Gewalteruptionen der jüngsten Vergangenheit zu legen. Zitat Ende.

Einfach mal zum Shoppen flattern.

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Die 10 besten Songs aller Zeiten.

Ein Beitrag zum Themengebiet Hören., geschrieben am 12. März 2015 von Thomas Lasser

Ich wurde neulich gefragt, ob ich nicht mal eine Playlist meiner 10 liebsten Titel zusammenstellen könnte. Konnte ich. War aber wahnsinnig schwer, weil es in den 40 Jahren, in denen ich jetzt bewusst Musik höre ja mehr als nur 10 wirklich gute Titel gab. Also mussten ein paar Filter her. Grundsätzlich schon mal raus: alles von den Beatles, Rolling Stones, Toto, Journey, Style Council, Hall & Oates. Hier kann ich nur das Gesamtwerk würdigen. Des Weiteren: Michael Jackson, Prince, Patti Austin, Stevie Wonder, George Michael, Elton John (bis 1980). Ebenso. Was dann bleibt sind 10 Songs für die Ewigkeit, die entweder für ein ganzes Genre oder für ein spezielles Album stehen. Die Top 100 auszuwählen wäre wahrscheinlich leichter gewesen. Here we go. Please do not shuffle.

What`s going on – Marvin Gaye
If you love me – Brownstone
Mister Magic – Grover Washington Jr.
Lady Love – Lou Rawls
I Say A Little Prayer – Aretha Franklin
Cantaloupe Island – Herbie Hancock
Rotation – Herb Alpert
Are You Going With Me – Pat Metheny Group
The Dude – Quincy Jones
One Of These Nights – Eagles

Nur wer nach den Sternen greift … hörst du das, 2015?

Ein Beitrag zum Themengebiet Hören., geschrieben am 1. Januar 2015 von Thomas Lasser

We, we don’t have to worry bout nothing.
Cause we got the fire, and we’re burning one hell of a something.
They, they gonna see us from outer space, outer space.
Light it up, like we’re the stars of the human race, human race.

(Ellie Goulding – Burn)

Blood Orange – »Cupid Deluxe«.

Ein Beitrag zum Themengebiet Hören., geschrieben am 3. Januar 2014 von Thomas Lasser

Flashback, Baby! Es gab ja mal Zeiten, da konnte man Langspielplatten kaufen, nur weil ihr Cover so cool war. Jazz von Blute Note Records zum Beispiel. Oder alles von ECM. Gefiel dann am Ende die Musik nicht, hatte man zumindest immer plakative Kunst für die Wand. Als die CD rauskam, war das vorbei, ausser man wollte seine Kacheln im Bad überkleben. Aber es gab und gibt natürlich auch immer wieder Plattenhüllen, heute also Booklets, da muss man sich fragen, was der Art Director oder Fotograf wohl zum Frühstück hatte, so daneben kommt einem das Ergebnis vor. Metal ist bekannt für so manchen gestalterischen Querschläger, Volksmusik natürlich oder auch Rap. Und so dachte ich, als mir Cupid Deluxe in die Hände fiel erst mal … bäh. Was kommt denn jetzt?

Ein tolles Album, ernsthaft. Ich hab es jetzt ungefähr ein Dutzend Mal durchgehört, muss letztlich sagen: Das Ding schafft etwas, was eine Platte selten schafft. Kein einziger Songs bleibt im Ohr. Statt dessen ein klarer Sound, zurückgeholt aus den 80ern. Ein bisschen Alexander O`Neal, ganz schön viel Prince und wer möchte, der hört auch noch Pet Shop Boys heraus. Das ist doch schon mal was. Die Scheibe ist detailverliebt eingespielt, abwechslungsreich gemacht, perlt und prickelt. Zum Ende hin wird es ein bisschen müde, aber, na gut, das passt heute schon. Für Hörer wie mich, die vor 20 Jahren zu If You Where Here Tonight von eben besagtem Alex O`Neal davon geträumt haben, sich endlich nichts mehr beweisen zu müssen. Leben Deluxe. 7,0/10.

Also: fieses Titelmotiv, aber feinste Songs und die gibt es hier.

Haim – »Days Are Gone«.

Ein Beitrag zum Themengebiet Hören., geschrieben am 14. Oktober 2013 von Thomas Lasser

Es gibt ja Tage, die kann man voll vergessen. Geht schon kurz nach dem Aufstehen los. Die Milch für den Kaffee ist schlecht. Auf dem Weg ins Büro. Blitzmarathon, alle fahren, als wären sie scheintod. Im Büro. Drei Krankmeldungen, zwei davon nach Urlaubsende. Auf dem Weg zum Kunden. Wer hat den Firmenwagen denn schon wieder bis auf den letzten Tropfen leer gefahren? Beim Kunden. Also, wir dachten uns, sie machen das jetzt einfach mal so mit, kein großer Aufwand, oder? Irgendwann, kurz vorm ersehnten Feierabend … ach, das lassen wir das.

Dann fischt man aber plötzlich ein Album aus der Post, das alles ändert. Days Are Gone von Haim ist so ein Ding, ein Album, von dem man ja dachte, es wird niemals erscheinen, so lang wurde darüber schon geredet. Fröhlich. Positiv. Mitreissend. Ein bisschen retro. Aber verdammt gut gemacht. Von der ersten Sekunde an, man ist voll dabei. Gute Laune macht sich breit. Ein Fuß wippt mit. Der Finger schnippt. Oder umgekehrt. Zumindest bis Titel Nummer sieben, danach wird’s etwas ernster, aber bleibt immer noch gut. Ein tolles Debüt. Fortsetzung? Schnell! 9/10.

Kaufen? Kaufen.

Burt Bacharach. Einer der besten Songwriter.

Ein Beitrag zum Themengebiet Hören., geschrieben am 30. Juli 2013 von Thomas Lasser

Kein Scherz: Ich will seit mehr als einem Jahr einen Artikel über meinen liebsten Songwriter schreiben, kam nur irgendwie nie dazu. Das hat jetzt Christop Dallach auf SPIEGEL online gemacht. Und zwar so treffend, dass ich diesen Beitrag einfach zweitverwerte. Hut ab … Er hat nur irgendwie vergessen, die Alben Painted From Memory mit Elvis Costello und sein durchaus politisches Letztwerk At This Time zu erwähnen. Hab ich jetzt ja gemacht.

Auf dem Cover des ersten Oasis-Albums sitzt Noel Gallagher neben einem Porträt von Burt Bacharach. Der Brit-Pop-Debütant posiert da auf einem Sofa gedankenverloren mit Gitarre, daneben lehnt ein gerahmtes Poster des amerikanischen Songwriter-Titanen. Das war 1994, und auch wenn damals gerade das sogenannte Easy-Listening-Revival über die Bühne ging, dürften die wenigsten der Oasis-Zielgruppe gewusst haben, wer Burt Bacharach ist, geschweige denn, wie er ausschaut. Aber was Noel Gallagher angeht, war das Cover ein klares Statement: Denn auch  wenn der Brite gern mal als Beatles-Klon verhöhnt wird, war er vor allem immer ein Fan großer Songs und ihrer Autoren, einer, der weiß, was eine funkelnde Melodie vom grauen Mittelmaß unterscheidet.

Mal abgesehen von Paul McCartney und John Lennon hat Burt Bacharach vermutlich mehr umwerfende Melodien in die Welt gezaubert als irgendwer sonst im Popuniversum. Wikipedia attestiert ihm allein 73 Hits in den US-Charts. Wem sein Name trotzdem nichts sagt, der wird wenigstens mit seinen Songs vertraut sein: „The Look of Love“, „Raindrops Keep Falling on my Head“, „This Guy’s in Love With You“, „Walk on By“, „I say a little Prayer“ oder „What’s new Pussycat“ – um nur einige wenige der Klassiker zu nennen, die von so ziemlich allen relevanten Musikern der letzten Jahrzehnte interpretiert wurden. Die Liste reicht von Elvis Presley über Frank Sinatra, Barbra Streisand, Marlene Dietrich, Stan Getz, Dusty Springfield, den Beatles, Aretha Franklin, Isaac Hayes bis zu Bacharachs bevorzugter Haus-und-Hof-Interpretin Dionne Warwick.

Als „Easy Listening“ wurde diese Musik lange von Geschmackspolizisten abgetan; ein Begriff, den Bacharach zu Recht als persönliche Beleidigung wertet, wenn er damit in Zusammenhang gebracht wird. Wie wenig an Bacharachs Musik „Easy“ ist, dämmert jedem, der mal probiert, eine Melodie wie „What’s New Pussycat“ nachzupfeifen. Denn letztlich bestand die Kunst des Jazz-Fans Bacharach ja auch immer darin, komplexe Melodien federleicht klingen zu lassen.

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